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Sicherheit unter den Alpen: Der Brenner Basistunnel als Meilenstein moderner Infrastruktur

Geschrieben von Mark Buzinkay | 26 Mai, 2025

Ein Jahrhundertprojekt mit langer Geschichte

Die Idee, die Alpen per Tunnel zu durchqueren, reicht weit zurück. Bereits im 19. Jahrhundert, als die Brennerbahn 1867 eröffnet wurde, war der Wunsch groß, die wichtige Nord-Süd-Verbindung durch einen direkteren, effizienteren Verkehrsweg zu ersetzen. Doch es fehlte an technischen Möglichkeiten – und zunächst auch am politischen Willen. Im Laufe des 20. Jahrhunderts stieg der Druck und der Brennerkorridor entwickelte sich zu einem der am stärksten frequentierten Transportachsen Europas. Besonders der LKW-Verkehr nahm dramatisch zu. Die Folge: Überlastete Straßen, Umweltverschmutzung, Staus, Unfälle und enorme Belastungen für die Bewohner der umliegenden Regionen.

 

Die bestehende Brennerbahn konnte die steigenden Anforderungen des Güter- und Personenverkehrs nicht mehr erfüllen. Ihre Trassenführung mit engen Kurven und steilen Rampen erwies sich als strukturelles Hindernis für schnelle und schwere Züge. Schon in den 1980er Jahren entstanden erste Studien für einen Basistunnel. Die Vision: Ein nahezu ebener Tunnel, tief im Gebirge, der Züge unabhängig vom Wetter schnell und direkt durch die Alpen führt. Doch es sollte noch Jahrzehnte dauern, bis diese Idee Wirklichkeit wurde. Erst 2004 wurde die Projektgesellschaft BBT SE von Österreich und Italien gegründet. Mit dem offiziellen Baustart 2008 begann schließlich eines der ambitioniertesten Infrastrukturprojekte Europas.

 

Der Brenner Basistunnel im Überblick

Der BBT verläuft zwischen Franzensfeste (Fortezza) in Südtirol, Italien und Tulfes bei Innsbruck, Österreich und ist Teil des europäischen TEN-T-Korridors von Berlin nach Palermo. Er besteht aus zwei eingleisigen Hauptröhren sowie einem zentralen Erkundungsstollen, der sowohl geologischen Zwecken dient als auch später der Instandhaltung und Sicherheit. An einzelnen Abschnitten, wie dem Baulos H53 Pfons–Brenner, wird rund um die Uhr gearbeitet. Allein dieser Bauabschnitt umfasst 25,2 Kilometer Tunnelröhren und 37 Querschläge – verbunden durch über 2.500 Meter Querpassagen. Bis zur Fertigstellung im Jahr 2032 wird ein Aushub von rund 21 Millionen Kubikmetern Material erwartet. Dieses wird zum Teil zur Betonproduktion und für den Bau von Zufahrtswegen verwendet. Der Tunnel verläuft stellenweise bis zu 1.700 Meter unter der Erdoberfläche – eine gewaltige Herausforderung für Mensch, Technik und Organisation.

Tief unten: Arbeitsleben im Bergwerk

Täglich arbeiten Hunderte Menschen in bis zu drei Schichten im Tunnel. Der Zugang erfolgt über einen 3,5 Kilometer langen Stollen. Ausgestattet mit Schutzhelm, reflektierender Kleidung, Sicherheitsstiefeln, Helmlampe und einem persönlichen Transponder steigen sie in die Tiefe hinab. In diesem weitläufigen System sind die Sprengtrupps, Schalungsteams, Maschinenführer, Wartungstechniker und Logistiker genau aufeinander abgestimmt. Die Tunnelbaustelle funktioniert wie eine eigene Welt unter der Erde. Baumaterialien, Maschinen, Treibstoff, Beton, Sprengmittel – alles muss präzise koordiniert und über lange Wege herangeschafft werden. Das erfordert eine ausgeklügelte Logistik und ein detailliertes Tracking aller Personen und Fahrzeuge.

 

Sicherheit als Grundprinzip

Sicherheit ist kein Nebenschauplatz dieses Projekts – sie ist zentrales Fundament. In kaum einem anderen Bereich sind die Risiken so real wie im Tunnelbau. Hohe Temperaturen, Sprengarbeiten, Tunnelbaugeräte und Maschinen, eingeschränkte Sichtverhältnisse und mögliche Brände stellen extreme Anforderungen an alle Beteiligten. Daher wurde von Beginn an ein umfassendes Sicherheitskonzept entwickelt. Im Zentrum steht das Prinzip „Sehen und gesehen werden“. Die Lokalisierung aller Personen im Tunnel ist entscheidend, um im Ernstfall gezielt retten und reagieren zu können. Eine Schlüsseltechnologie in diesem Zusammenhang ist RTLS (Real-Time Locating System). Sie ermöglicht die exakte Echtzeitortung von Personen und Maschinen – selbst unter schwierigen Bedingungen wie Staub, Dunkelheit oder Rauch. Im Brenner Basistunnel kommt ein System auf Basis aktiver RFID-Technologie zum Einsatz, das kontinuierlich Positionen erfasst und meldet. Dadurch kann im Notfall sofort festgestellt werden, wer sich wo befindet, was lebensrettende Zeit spart. RTLS trägt somit entscheidend zur Umsetzung des Grundprinzips „Sehen und gesehen werden“ bei und ergänzt andere Maßnahmen.

Michael Halwachs: Der Mensch hinter der Sicherheit

Eine zentrale Figur bei der Umsetzung dieser Konzepte ist Dr. Michael Halwachs. Der promovierte Sicherheitsexperte begann seine Karriere im Bergbau, wo er erste Erfahrungen mit Arbeitssicherheit sammelte. Später engagierte er sich in einer Betriebsfeuerwehr und entwickelte ein tiefes Verständnis für den Ernst von Notfällen. Heute ist er als Corporate Health and Safety Manager im Tunnelbau bei der PORR Gruppe tätig. Zudem leitet er die Arbeitsgruppe „Health and Safety in Works“ der International Tunnelling Association sowie den Fachbereich Verkehrsanlagen beim Österreichischen Bundesfeuerwehrverband.

Seine Aufgabe im BBT: Die übergeordnete sicherheitstechnische Betreuung, des Brandschutzes und Notfallmanagements. Für ihn sind präventive Maßnahmen der Schlüssel zum Erfolg: regelmäßige Schulungen, funktionierende Technik, klar definierte Abläufe. Besonders lobt er die Zuverlässigkeit der Identec Solutions-Transponder, die bei den Übungen wiederholt ihre Funktionsfähigkeit bewiesen haben.

 

Sicherheit am richtigen Ort: Digitale Echtzeitortung

Im Tunnel befinden sich sogenannte Rettungsinseln bzw. Fluchtkammern. Diese bieten mehreren Personen für bis zu 48 Stunden Schutz. Sie sind mit eigener Belüftung, Notstromversorgung und Kommunikationsmitteln ausgestattet. Die automatische Registrierung mit Hilfe von Transpondern, ob sich Mitarbeitende in den Fluchtkammern aufhalten, ermöglicht dem Krisenstab eine präzisere Einschätzung der Lage. So können Evakuierungen geplant und Risiken für Rettungskräfte minimiert werden.

Die digitale Personenortung ist ein zentrales Element des Sicherheitskonzepts. Mit dem System von Identec Solutions, basierend auf dem internationalen Standard ISO/IEC 24730, wird jede Person unter Tag in Echtzeit geortet. Der von den Mitarbeitenden getragene Transponder sendet kontinuierlich Positionsdaten an Empfänger im Tunnelnetz, die diese Informationen an eine zentrale Leitstelle weiterleiten. Im Fall eines Unfalls oder einer Evakuierung kann so in Sekundenschnelle festgestellt werden, wer sich wo befindet – eine Voraussetzung für gezielte Rettungsmaßnahmen.

Dieses System ersetzt veraltete Methoden wie Namenslisten oder manuelle Kontrollsysteme und liefert ein Höchstmaß an Transparenz und Sicherheit. Entscheidend ist, dass Kommunikation in jeder Lage funktioniert. Deshalb wird im BBT auf ein redundantes Netzwerk aus verschiedenen Technologien gesetzt: GSM-Netz, TETRA-Digitalfunk, 70cm-Analogfunk und WLAN. Damit ist auch bei einem Teilausfall jederzeit ein stabiler Informationsfluss gewährleistet – sei es zwischen Baustellenleitung und Arbeitern, zwischen Einsatzkräften oder im Krisenstab. Diese technische Redundanz wird durch Notfallübungen regelmäßig auf Herz und Nieren geprüft. Dabei werden reale Szenarien – von Bränden über Tunnelunfälle bis zu Evakuierungen – simuliert, um sicherzustellen, dass alle Systeme wie geplant funktionieren.

 

Gesellschaftlicher Wandel durch Infrastruktur: Was bedeutet der BBT für die Menschen?

Großprojekte wie der Brenner Basistunnel werden häufig durch technische Daten, Bauzeiten und Budgets beschrieben. Doch ihr eigentlicher Wert zeigt sich nicht allein in Zahlen, sondern in der Wirkung auf das tägliche Leben der Menschen – sowohl entlang der Bauachse als auch weit darüber hinaus.

Seit Jahrzehnten ist der Brennerkorridor einer der meistbefahrenen Alpenübergänge Europas. Auf der Autobahn rollen täglich bis zu 2.500 LKWs pro Richtung – mit enormen Folgen: Lärm, Abgase, Feinstaub, Erschütterungen und eine stark eingeschränkte Lebensqualität für die Bevölkerung in Nord- und Südtirol. Orte wie Innsbruck, Sterzing oder Matrei am Brenner kennen das Gefühl permanenter Durchfahrt nur zu gut. Mit dem Brenner Basistunnel soll sich das ändern. Denn das Ziel ist klar: Verlagerung des Schwerverkehrs von der Straße auf die Schiene. Der BBT schafft die Voraussetzung dafür, dass künftig ein deutlich größerer Anteil des Warenverkehrs klimaschonend unterirdisch transportiert wird – emissionsfrei, lärmfrei und platzsparend. Was oberirdisch verschwindet, wird unterirdisch effizient organisiert. Für die Anwohner und die Umwelt bedeutet das eine spürbare Entlastung.

Lebensräume zurückgewinnen

Ein leiserer, sauberer Alpenraum ist ein konkretes Ziel des Projekts. Durch die Verkehrsverlagerung werden Orte wieder attraktiver für Bewohner, Gäste und Investoren. Gerade kleinere Gemeinden entlang der Brennerachse haben in den letzten Jahren unter Abwanderung gelitten. Der Tunnel schafft nun neue Perspektiven: besserer Anschluss an überregionale Zentren, weniger Belastung durch Transitverkehr, mehr Raum für Entwicklung. In Kombination mit moderner Infrastruktur und einer europäischen Perspektive entsteht so ein Umfeld, in dem Familien, Betriebe und Gemeinden neu aufblühen können.

Der Brenner Basistunnel ist ein Symbol europäischer Zusammenarbeit. Österreich und Italien haben sich hier auf gemeinsame Ziele geeinigt, ihre Planung harmonisiert, Normen abgestimmt und eine transnationale Projektgesellschaft gegründet. Diese enge Abstimmung über Ländergrenzen hinweg zeigt, dass Europa nicht nur ein politisches Konzept ist, sondern in konkreten Vorhaben Realität werden kann. Zudem ist der Tunnel Teil eines größeren Ganzen – des Skandinavien-Mittelmeer-Korridors, der Berlin mit Palermo verbindet. Wer künftig morgens in München in einen Hochgeschwindigkeitszug steigt, könnte am frühen Nachmittag klimafreundlich und ohne Umstieg Rom oder Neapel erreichen. So wird Mobilität neu gedacht: grenzübergreifend, nachhaltig, schnell – und für breite Bevölkerungsschichten zugänglich.

 

Akzeptanz durch Transparenz und Beteiligung

Ein Projekt dieser Dimension kann nur gelingen, wenn es gesellschaftlich akzeptiert wird. Deshalb setzt die BBT SE seit Beginn auf aktive Kommunikation, regelmäßige Bürgerinformationen, Baustellenführungen und lokale Beteiligungsformate. Sorgen werden ernst genommen, Fragen beantwortet, Anpassungen ermöglicht. Auch das gehört zu einem modernen Infrastrukturverständnis: zuhören, erklären, mitnehmen.

Diese Offenheit hat wesentlich zur breiten Akzeptanz beigetragen. Kritische Stimmen gibt es natürlich – etwa zur Bauzeit, zu temporären Belastungen oder zu Eingriffen in die Landschaft. Doch durch Dialog und Kompromissbereitschaft können viele Bedenken aufgefangen werden.

Neue Arbeitswelten und Chancen für Fachkräfte

Nicht zuletzt schafft der Tunnel neue berufliche Perspektiven. Der Bau und spätere Betrieb des Tunnels bringen nicht nur internationale Spezialisten nach Tirol und Südtirol, sondern fördern auch die Ausbildung und Beschäftigung vor Ort. Ingenieure, Geologen, Sicherheitsexperten, Baumaschinisten, Technikerinnen, Sanitäter, Logistiker – sie alle sind wichtige Bestandteile des Projekts. Darüber hinaus führt die Zusammenarbeit mit internationalen Unternehmen, Universitäten und Forschungszentren zu einem Innovationsschub in der Region. Know-how wird aufgebaut, neue Technologien getestet und weiterentwickelt. Was heute für den Tunnel entwickelt wird – etwa im Bereich der Ortung oder der Sicherheit – könnte morgen in ganz Europa zum Einsatz kommen.

Wenn ab 2032 Hochgeschwindigkeitszüge mit 250 km/h unter dem Alpenhauptkamm verkehren, dann wird das nicht nur eine Entlastung für Autobahnen, Umwelt und Anwohner bringen. Es wird auch ein Beleg dafür sein, dass sich mutige Investitionen in Technik und Sicherheit langfristig lohnen.

 

Resümee

Der Brenner Basistunnel (BBT) ist weit mehr als ein Bauprojekt – er steht exemplarisch für den Wandel hin zu sicherer, nachhaltiger und europäisch vernetzter Infrastruktur. Mit einer Länge von 64 Kilometern und seiner Fertigstellung im Jahr 2032 wird der BBT nicht nur der längste Eisenbahntunnel der Welt, sondern auch ein technologisches und gesellschaftliches Vorzeigeprojekt. Im Zentrum steht die Sicherheit: Modernste Ortungs- und Kommunikationssysteme, ständige Schulungen und klar definierte Abläufe sorgen für höchste Standards im Tunnelbau.

Die Integration digitaler Technologien wie Echtzeitortung und redundanter Kommunikationsnetze zeigt, wie innovative Technik konkrete Lebensqualität sichern kann – auch unter extremen Bedingungen.

Gleichzeitig schafft der Tunnel eine echte Perspektive für Mensch und Umwelt: Die Verkehrsverlagerung auf die Schiene reduziert Lärm, Emissionen und Belastung entlang der Brennerachse. Lebensräume werden zurückgewonnen, regionale Entwicklung gestärkt.

Der BBT ist Symbol europäischer Zusammenarbeit und Ausdruck einer neuen Mobilitätskultur – grenzüberschreitend, effizient und zukunftsfähig. Durch breite Bürgerbeteiligung, Transparenz und regionale Wertschöpfung ist es gelungen, Akzeptanz zu schaffen und aus einem technischen Megaprojekt ein gemeinschaftliches Zukunftsprojekt zu formen. Der Brenner Basistunnel zeigt: Mit Weitblick, Kooperation und Technologie lässt sich auch in herausforderndem Terrain nachhaltige Infrastruktur für kommende Generationen schaffen.

 

Glossar

TEN-T: Trans-European Transport Network
Das TEN-T ist ein EU-weites Verkehrsnetz, das wichtige Infrastrukturen wie Schienen, Straßen und Häfen verbindet. Es soll den grenzüberschreitenden Personen- und Güterverkehr verbessern. Der Brenner Basistunnel ist ein zentrales TEN-T-Projekt im Skandinavisch-Mediterranen Korridor.

Transponder: Elektronisches Gerät zur Positionsbestimmung nach RTLS-Standard
Transponder nach RTLS-Standard senden Signale zur Ortung von Personen oder Objekten in Echtzeit. Geräte von Identec Solutions ermöglichen präzises Tracking, z. B. in Tunneln oder Industrieanlagen, und sind oft mit Sensoren, LEDs und langlebigen Batterien ausgestattet.

TETRA: Digitalfunknetz für Einsatzorganisationen (nach ETSI)
TETRA ist ein von ETSI entwickelter Digitalfunkstandard für Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben. Er bietet verschlüsselte Sprach- und Datenkommunikation, Gruppenrufe und direkte Geräteverbindungen, auch ohne Netzabdeckung.

GSM-Netz: Standard für mobile Kommunikation (nach GSMA)
GSM ist ein globaler Mobilfunkstandard für digitale Sprach- und Datendienste. Die GSMA koordiniert seine Entwicklung und stellt weltweit Interoperabilität sicher. GSM bildet die Grundlage für Mobilfunknetze in über 200 Ländern.

Fluchtkammer: Sicherer Schutzraum im Tunnelbau
Fluchtkammern sind geschützte Räume in Tunneln, die im Notfall temporären Schutz vor Rauch und Hitze bieten. Sie sind mit Kommunikationstechnik ausgestattet und entsprechen Sicherheitsstandards der ITA-AITES.

 

Quellen:

(1) Brenner Basistunnel – Offizielle Website: https://www.bbt-se.com/

(2) ITA-AITES Veröffentlichungen zur Sicherheit im Tunnelbau: https://about.ita-aites.org/

(3) GSM Association Grundlagen: https://www.gsma.com/

(4) ETSI TETRA-Digitalfunk Standards: https://www.etsi.org/technologies/tetra

(5) Identec Solutions: https://www.identecsolutions.com/